Umberto Eco und das Verzetteln gegen das Verzetteln

© Nicole Lücking, poasworld.de

Vor 90 Jahren (also am 5. Januar 2032) wurde Umberto Eco geboren.

Was vielleicht nicht viele wissen: Er war Sachbuchlektor, bevor er begann, sich mit dem Erforschen ästhetischer Zeichensysteme zu beschäftigen und in der Folge zum vielleicht populärsten Professor Europas wurde.

Ein Artikel im New Yorker erwähnt Ecos fast 40 Jahren erschienenen Ratgeber Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt. Aus dem von Eco humorvoll beschriebenen Arbeitsprozess könne man fürs Leben lernen – und zwar auch dann, wenn man im Leben nach der Abschlussarbeit höchstens noch E-Mails zu verfassen gedenke.

Lernen ist nicht “Speichern”

Zum Beispiel Ecos Warnung vor dem „Kopieren als Alibi“. Schon damals machten Studierene Hunderte von Kopien und nahmen sie mit nach Hause. Die manuelle Arbeit des Kopierens, so Eco, vermittelt zum einen das gute Gefühl etwas geleistet zu haben. Zum anderen kommt es einem so vor, als habe man sich das Werk sozusagen angeeignet. Die Kopien zu besitzen, entbindet einen scheinbar von der Mühe, sie tatsächlich zu lesen.

In die heutige Zeit übersetzt heißt das Phänomen „Bookmarking als Alibi“. Wie es der Artikel beschreibt: „In dieser beschleunigten Variante speichern wir mühelos Lesezeichen, Links oder Artikel etwa in Instapaper, zufrieden damit, all diese neuen Informationen zu horten, nicht sicher, ob wir überhaupt die Muße finden werden, um sie tatsächlich zu verarbeiten.“ Die Ablenkung lauert schon an der nächsten Ecke.

Sammeln und Verarbeiten

Gegen das Verzetteln gibt es Strategien – eine davon paradoxerweise: das Verzetteln. Also das, was man gelesen hat und was einem nützlich erscheint, systematisch in einem wie auch immer gearteten Zettelkasten zu sammeln, zwecks weiterer Verarbeitung. Das Verarbeiten ist wichtig, und es wird mittels Querverweisen, Kommentaren, Vernetzen und Strukturieren geleistet.

Ecos Ansatz war, ein System von sortierbaren Karteikarten zu verwenden. Und das ist nur scheinbar altmodisch, denn es lässt sich vom Prinzip her problemlos in das digitale Zeitalter übertragen. Es gibt schließlich diverse Zettelkasten-Systeme, die sich als “Zweitgedächtnis” nutzen lassen. Am bekanntesten ist der Zettelkasten Niklas Luhmanns. (Eine gute Beschreibung bei Daniel Lüdeke, von dem auch die Implementierung als Zettelkasten-Software stammt).

Was sich vielleicht durch die digitalen Werkzeuge grundlegend ändert, sind die Möglichkeiten, so einen Zettelkasten im Netzwerk gemeinsam aufzubauen: Wikis, Online-Whiteboards, Vokabel- und Quizapps… sind alles kollaborative Zettelkästen. Die Herausforderung besteht wie immer darin, sie zu pflegen.